Die Reise von August und Ottilie von Goethe im Jahr 1819

„Weimar d. 4. May 19. Früh 6 Uhr fuhren Ottilie und ich, nach einem etwas wehmütigen Abschied, von Weimar ab; es war ein heiterer Morgen, Alles Grün frisch und es lockte einen wirklich in die Welt hinein. Der Postillion, ein heiterer Bursch, schmetterte im Webicht mit den Nachtigallen um die Wette und so kamen wir denn schon 1/2 9 Uhr nach Eckardtsberge.“ (Aus dem Tagebuch August von Goethes)

Im Mai 1819 brechen August von Goethe (1789-1830) und seine Frau Ottilie (1796-1872) zu Ihrer Reise nach Berlin auf. Zwei Jahre verheiratet, die Verbindung war noch frisch und unbelastet von Augusts Alkoholsucht und der Untreue von Ottilie, und die Reise gestaltete sich unbeschwert. Über allem aber schwebte der in Weimar gebliebene Dichterfürst, der den Sohn zum Schreiben eines Tagebuchs zwang und die Schwiegertochter zu regem Briefverkehr.

Was dem Sohn eher eine Last war, kommt uns zunutze, denn nur dadurch sind die Schilderungen von Stationen und Erlebnissen der Reise auf uns gekommen. Am ersten Tag ginge es von Weimar nach Halle, am zweiten Tag über Dessau nach Coswig. Tags drauf dann die eindrucksvollen Einfahrt über die Lange Brücke nach Potsdam, wo in gedrängten zwei Tagen und immer schnell mit der Kutsche unterwegs, Stadtschloss, Sanssouci, Neues Schloss, Marmorpalais und die Parks besichtigt wurden. Sehr anschaulich auch die Reise von der Glienicker Brücke über Zehlendorf (Pferdewechsel) nach Berlin.

Der Aufenthalt des jungen Paars in der preußischen Hauptstadt (8. Mai - 1. Juni) wird nicht nur ein gesell­schaftliches Ereignis, sondern gibt auch ein Bild des damaligen Berlin. Bei Karl Friedrich Zelter, dem Freund des alten Goethe, werden sie wohnen (3 schöne Zimmer in der Beletage). Den Weg zu seinem Haus in der Friedrichstraße 129 hat er ihnen in einem Brief vorab beschrieben, weshalb sie nach der Durchfahrt des Brandenburger Tores schnell zu ihrer Unterkunft fanden. Von Zelter eingeführt, nehmen August und Ottilie aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Vormittags Besuche oder Besichtigungen, nachmittags Kaffee bei Fuchs `Unter den Linden´ und abends dann Theater oder Ballett. Sie erleben Hauskonzerte, besichtigen die Ateliers von Schadow, Rauch und Tieck. Ottilie lernt die Dichter E. T. A. Hoffmann und Raabe.

Dann kam der Abschied und „Es wurde einem ganz wirblich zumuthe. Zelter noch immer nicht wohl. Den Mittag aß Franz mit. Als wir kaum auf­gestanden waren kamen schon die Postpferde, schnell auf­gepackt. Beym Abschied waren: Zeiter, Nicoloviussens, Aug. Treskow, Ottilie war sehr bewegt und wir fuhren punct 4 Uhr aus Berlin.“

Das Bild rechts oben zeigt den Rückblick auf Weimar um 1850.

Bild oben: Jagdschloß Klein-Glienicke und Brücke - Nagel - 1788.